Fassbinder versuchte, den Brechtschen Verfremdungseffekt auf seine Filme anzuwenden, vor allem auf Die Ehe der Maria Braun. In diesem Film spielt dieser Effekt eine noch größere Rolle, weil er mit dem Thema ‘Entmythisierung’ zusammenarbeitet. Fassbinder setzt sich in diesem Film mit der deutschen Nachkriegsgeschichte auseinander, und zwar mit der Absicht, sie scharf zu kritisieren.
Das Spektrum der Entmythisierung reicht von ‘Liebe und Ehe’ uber ‘Vaterfigur’, ‘Wirtschaftswunder’ und das ‘Wunder von Bern’ bis zum ‘Nationalhelden Hermann’. Dem Letzten wird eine besondere Aufmerksamkeit in diesem Aufsatz gewidmet, weil er in der deutschen Geschichte vielfältig mythisiert worden ist, besonders in Situationen, in denen das Nationalgefuhl hervorgerufen werden musste. Ulrich von Hutten erhob ihn in der Reformationszeit uber alles Lob zum “König der Deutschen” und im 18/19 Jh. folgten J. E. Schlegel, Möser, Wieland, Klopstock und Kleist dieser Tendenz. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er besonders missbraucht, wie man z.B. bei einem an der Lippe verwendeten Wahlmotto (1933) feststellen kann: “Liste 7 macht frei das Hermannsland”. Von dieser Ideologisierung bildeten auch viele Germanisten keine Ausnahme. Sie priesen die Hermannswerke als “mythisch-nationale Festspiele”. Fassbinder setzt die Entmythisierungsstrategie ein und entleert diese heldenhafte Figur von der nationalen Ideologie und stopft stattdessen eine armselige Existenz in ihn.