Mit dem Begriff des “dolus generalis” bezeichnet man zweiaktige Geschehensverläufe, bei denen der Täter den Erfolg mit dem ersten Handlungsakt vollbracht zu haben glaubt, während der Erfolg in Wirklichkeit erst durch den zweiten Handlungsakt eintritt, der nach der Vorstellung des Täters nur zur Verdeckung der bereits früher vollendeten Tat dienen soll. Die bisherigen Lösungsansätze, die das Problem zu erklären versuchen, ob man eine vollendete Tat annehmen oder den ersten Teilakt als eine lediglich versuchte Tat beurteilen soll, an die sich höchstens noch eine fahrlässige Tat durch den zweiten Handlungsakt anschließen kann, lassen sich wie folgt in vier verschiedenen Lehren zusammenfassen.
1. Die erste Lehre, nämlich die Vollendungslösung, bzw. die Lehre von dolus generalis vertritt, daß in derartigen Fällen des dolus generalis ein einheitliches Handlungsgeschehen vorliegt, das auch im zweiten Teil noch von dem allgemeinen Vorsatz, nämlich dolus generalis mit umspannt wird. Aber diese Lehre leidet daran, daß mit dem rechtsgeschichtlich überholten Begriff eines Generalvorsatzes der ursprüngliche Vorsatz auf spätere Handlungen ausgedehnt wird, bei denen er nicht mehr bestand.
2. Demgegenüber will die zweite Lehre, nämlich die sog. Versuchslösung, bei der Konstellation des dolus generalis ausnahmslos nur einen Versuch und ggf. eine fahrlässige Tat annehmen. Sie stützt sich vor allem auf die Annahme, daß der Vorsatz zur Zeit der Tat gegeben sein müsse und beim eigentlichen Akt daher fehle. Dem Täter wird in diesem Falle also ein schon erloschener Vorsatz unterstellt. Dagegen läßt sich wie folgt einwenden. Der Vorsatz braucht nicht während des Gesamtgeschehens, sondern nur in dem Augenblick vorzuliegen, da der Täter den Kausalverlauf aus der Hand gibt. In Fällen des dolus generalis wird dem Täter der Tod des Opfers als adäquate Folge seiner vom Tötungsvorsatz umfaßten Ersthandlung zugerechnet. Das genügt auch für die Zurechnung zum Vorsatz, sofern sich der Erfolg noch als Verwirklichung des Täterplans darstellt.
3. Die dritte Lehre, nämlich die herrschende Lehre von der Kausalabweichung, geht ähnlich wie die zweite davon aus, daß sie in Fällen des dolus generaslis zwei verschiedenen Teilakten annimmt. Aber sie stimmt mit der ersten Lehre darin überein, daß sie versucht, diese beiden Teilakte unter einem einheitlichen normativen Maßstab zu beuteilen. Nach dieser Lehre liegt dieser normative Maüstab in der unwesentlichen Kausalabweichung. Maßgeblich dafür, was wesentlich und was unwesentlich ist, sei die Voraussehbarkeit des Erfolges nach allgemeiner Lebenserfahrung. Das heißt konkret: Abweichungen gegenüber dem vorgestellten Verlauf schließen regelmäßig dann den Vorsatz nicht aus, wenn sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. Hiergegen läßt sich zu Recht der Einwand erheben, daß dieser Lehre das naturalistische Vorsatzverständnis zugrunde gelegt wird, nämich daß Vorsatz statt als Wissen(und ggf. Wollen) einer tatbestandsmäßig-mißbilligten Gefahrenschaffung als Wissen(und Wollen) eines bestimmten Kausalvewrlaufs verstanden wird.
4. Die vierte Lehre, nämlich die diffenrenzierende, die der Verfasser am besten geeignet findet, die Konstellation des dolus generalis sachgerecht zu lösen, versucht, je nach den Fallkonstellationen jeweils anders zu beurteilen. Der Maßstab, an dem gemessen der Vorsatz zugerechnet wird, ist sehr verschieden. Bei Jakobs liegt er in der Risikoverwirklichung, während Frisch in der unwertigen Entscheidung des Täters das entscheidende Moment sieht. Oder wie es bei Roxin geschieht, hängt die Zurechnung zum Vorsatz von der Planverwirklicung des Täters vollends ab. Der Verfasser ist der Ansicht, daß die Ansicht von Roxin am plausiblsten erscheint, denn der Beurteilungsmaßstab ist theoretisch präzise formuliert und paßt in der Praxis dem Rechtsgefühl am besten.