Der Meinungsstand der Verjährungstheorie ist durch eine inhaltliche Zweiteilung geprägt. Vertreten wird zum einen eine verfahrensrechtliche Theorie. Danach wandelt sich das Strafbedürfnis selbst trotz Zeitablaufs nicht; die Verjährung beruht daher allein auf prozessualen Gründen. Dem steht die materiellrechtliche Auffassung gegenüber, der zufolge prozessuale Gesichtspunkte nicht ausreichen, um von einer Bestrafung aus Zeitgründen abzusehen. Die auch noch vertretene gemischte Theorie fügt dem Meinungsstreit inhaltlich nichts hinzu; sie verbindet im Wesentlichen nur die beiden Positionen.
Die Diskussion wird vorwiegend durch Argumente kritischer Art beherrscht. Gegen die materiellrechtlichen Theorien wird vor allem vorgebracht, dass die Verjährungsbegründung nicht mit den straftheoretischen Grundlagen übereinstimme oder diese selbst abzulehnen seien. Den prozessrechtlichen Theorien wird zur Hauptsache vorgehalten, dass eine prozessuale, also eher bloß technische Begründung nicht geeignet sei, den Staat von seiner Verfolgungs- und Bestrafungspflicht zu entlasten. Den gemischten Theorien werden Mängel beiderlei Art angelastet.
Un dem Rechtsinstitut der Verjährung seine richtige Stellung innerhalb des Strafrechts zu geben, ist eine fundamentalere, rechtsphilosophische Interpretation von der “Zeitlichkeit der Existenz des Strafanspruchs” notwendig. Der staatliche Strafanspruch hat seine zeitliche Grenze, innerhalb der er als subjektives Recht des Staates zunächst entsteht, dann fortdauert, aber auf jeden Fall schließlich in den Bereich des “Nichts” verschwindet. Die strafrechtliche Verjährung ist die rechtliche Anerkennung dieser unausweichlichen zeitlichen Grenze des staatlichen Strafanspruchs. Die Verjährung bringt zur Geltung, dass die Reichweite und der Anwendungsbereich des Strafanspruchs - wie bei anderen Rechtsinstituten, bei menschlichem Verhalten, bei allen seienden Dingen - immer zwischen Zeitpolen liegen. Mit der durch das Verjährungsinstitut gesetzten Zeitgrenze kann der Strafanspruch nur die Existenzform “Von-Bis” haben, die für das Dasein aller Dinge gilt.