In diesem Aufsatz wird über die Rechtsnatur des Notwehrexzesses und die Gründen der Strafmilderung, Strafausschließung und Entschuldigung behandelt. Danach wird Anwendungsbereich, analoge Anwendung auf Putativotwehrexzess und entsprechende Anwendung des § 21 Abs. 2 und 3 StGB auf Notstandsexzess untersucht. Die Ergebnisse dieses Aufsatzes lassen sich folgendermassen zusammenzufassen:
1. § 21 Abs. 3 StGB ist eine Vorschrift über den entschuldigenden Notwehrexzess. Die Entschuldigung begründet sich auf ‘doppelte Schuldmilderung’. Die eine beruht sich auf dem verminderten Unrecht der Notwehrhandlung, das zur Schuldmilderung führt und die andere beruhr sich auf dem durch den rechtswidrigen Angriff verursachten psychischen Ausnahmezustand.
2. § 21 Abs. 2 StGB ist eine Vorschrift über die Strafmilderung und das Absehen von Strafe. Sie kommt nur in Betracht, wenn die Schuld nicht ausgeschlossen ist, weil im Fall der Schuldausschliessung § 21 Abs. 3 StGB primär anzuwenden ist. Das Absehen von Strafe ist weder Strafausschliessungsgrund noch Entschuldigungsgrund. Es ist eine Modalität der Strafzumessung, deren Eigenart darin liegt, dass der Täter ohne Strafausspruch schuldig zu sprechen ist.
3. § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB wird nur auf den Fall des intensiven
Notwehrexzesses angewandt. Die Anwendung dieser Vorschrift ist beim extensiven Notwehrexzess auszuschliessen, weil in diesem Fall wegen des Fehlens von der Notwehrlage Unrechrsmilderung nicht vorliegt.
4. Beim intensiven Notwehrexzess kann nicht nur auf dem Fall der unbewussten, sondern auch der unbewussten Notwehrüberschreitung angewandt werden, weil beide darin gemeinsam sind, dass der Täter einen rechtswidrigen Angriff abwehrt und deswegen Unrechr der Notwehrüberschreitung vermindert wird.
5. § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 scheidet aus, wenn der Täter Angriff absichtlich provoziert oder bei einem schuldhaft provozierten Angriff den Angriff vermeiden kann, weil in solchen Fällen der Täter überhaubt kein Notwehrrecht hat und deswegen Unrecht nicht vermindert wird. Nur wenn der schuldhaft provozierte Angriff unvermeidbar ist, ist § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 anwendbar.
6. Im Fall des Putativotwehrexzesses, bei dem die Notwehrlage fehlt und somit Unrechrsvermilderung nicht vorliegt, ist § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB grundsätzlich nicht anwendbar. Aber wenn der Irrtum über das Vorliegen der Notwehrlage nicht vermeidbar ist, ist das Handlungsunrecht in gleichem Mass vermindert, wie beim Notwehrexzess, weshalb ist analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB auf solchen Fällen möglich.
7. Nach § 22 Abs. 3 oder Abs. 3 StGB ist § 21 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB auf Notstandsexzess entsprechend anzuwenden. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift beschränkt sich auf defensiven Notstand. Beim offensive Notstand wird die Anwendbarkeit ausgeschlossen, weil hier die Gefahr dem Opfer zuzurechnen ist, während beim defensiven Notstand das Opfer als ein Unbeteiligter mit der Gefahr nichts zu hat.