In den letzten Jahrzehnten ist in Deutschland und anderen europaischen Landern viel von der Erinnerung geredet und rasoniert worden. Damit zusammenhangend ist wohl die massenhafte Erinnerungsarbeit an den Holocaust, die sich besonders der kommerziellen Form vom Spielfilm zu Holocaust bedient.
In der vorgelegten Arbeit geht es um Fragen wie: Was ist anders als fruher im neuen deutschen Holocaust-Spielfilm?; Wie gehen solche Spielfilme mit dem aktuellen Diskurs zu Erinnerung und der Erinnerungskultur einher? Zur Betrachtung und Erklarung des Paradigmenwechsels bei der filmischen Reprasentation des Holocaust bietet sich der inzwischen diskursmaßig etablierte Begriff ‘postmemory’ (Marianne Hirsch) an.
Vor der Analyse der ausgewahlten Filme werden Aspekte und Probleme herausgearbeitet, welche bei der traditionellen filmischen Holocaust-Darstellung eine wichtige Rolle gespielt haben oder erst bei neueren Filmen mit Holcaust-Motiven zum Tragen gekommen sind. Behandelt werden Phanomene wie der Gegensatz zwischen (dokumentarischer) Authentizitat und Fiktionalitat, Holocaust-Narrative als Plot-Struktur und zuletzt Genrevermischung. Mit der Orientierung auf das Authentische hat sich der Film zum Holocaust lange der vorherrschenden Position der Holocaust-Literatur angeschlossen. Auf etwas Filmspezifisches kann man dann mit Hilfe von Hanno Loweys Ansatz ( 「Fiktion und Mimesis. Holocaust und Genre im Film」) fokussieren. Lowey versucht in Anlehnung an Hayden Whites Studie zu national differenzierten Historiographien zum Holocaust das neue Phanomen der Genrevermischung zu skizzieren, die - zumindest im Terrain des Kinos - vom Holocaust- Spielfilm aus auf andere Filme gewirkt hatte. Diese Überlegungen sind vorausgeschickt, vor deren Vergleichsfolie liest sich dann die Analyse zu Stephen Daldrys The Reader (2008), Chris Kraus’ Vier Minuten (2006) und Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen (2007). Im Gegensatz zu der uppigen Vergegenwartigung der Vergangenheit, wie es in den herkömmlichen Holocaust-Spielfilmen zu erwarten ist, sieht man in diesen Filmen lauter Alltag, Gegenwart und Erinnerung des Vergangenen. Die analytische Filmdarstellung versucht im Großen und Ganzen relevante Punkte hervorzuheben, mit denen der jeweilige Film in Bezug auf den Diskurs zur Holocaust-Erinnerung eigenes Filmspezifisches geleistet hat. Filme sind Interpretation und Ausdruck des Zeitgeistes. Dem Zeitgeist allzu entsprechend ist, dass Filme zunehmend an den Holocaust erinnern und die filmische Holocaust-Erzahlung bzw. -Erinnerung reflektieren.