Die vorliegende Studie setzt es sich als Aufgabe, die sich neu verandernden Produkitons- und Wahrnemungsweisen zu untersuchen, die vor allem unter dem Begriff des "postdramatischen Theaters" bzw. des Neoavantgarde-Theaters bezeichnet werden konnen. Was die postdramatischen Phanomene hervorgerufen hat, ist nicht zuletzt auf die "performative Wende" in den 60er Jahren zuruckfuhrbar, in der man die ``Kultur als Performance`` zu verstehen begann. Das Theater lasst sich nun weniger als Zusammenstellung der semantischen Zeichen, also als ein Werk fur die Interpretation, denn als "Atem, Rhythmus, das Jetzt der fleischlichen Prasenz des Korpers"(Lehmann) begreifen. Diese Perspektive hat jedoch ihren Wurzel schon in der Reformbewegung wahrend der historischen Avantgarde(1900-1935). Aber das Neoavantgarde-Theater ist nicht einfach mit der historischen Avantgarde gleichzusetzen, sondern eher als deren kritische Uberwindung und extreme Weiterentwicklung zu begreifen. Denn das postdramatische Theater in der Neoavantgarde ist ideengeschichtlich vom Postmodernismus wie -strukturalismus grundiert worden. Die Kommunikationsweise des postdramatischen Theaters ist nichts anderes als die ``Schwellenerfahrung`` durch die Asthetik des ``Performativen``, deren reprasentative Beispiel in der Performancekunst (1975) von Marina Abramovic zu finden ist. Erika Fischer-Lichte differenziert den Begriff der Performance unter den vier Aspekten wie Medialitat, Materialitat, Semiotizitat und Asthetizitat und legt ihn als die Grundlage der Asthetik des Performativen ausfuhrlich dar. Seit der "performativen Wende" kommt die Kunst anhand der aktuellen ``Post``-Diskurse nicht in der in abgeschlossenen und deutbaren Gestalt zur Sprache. Vielmehr ist es die Kunst, Vorgange und Ereignisraume herzustellen, in denen wir agieren, recherchieren, erleben, und die wir im Sinne des Wortes ``Aisthesis`` akzeptieren. In dieser Hinsicht verandern sich sowohl das Selbstverstandnis der Kunst wie auch die Struktur der asthetischen Erfahrung. Das heißt, die Kunst wie das postdramatische Theater ist nicht mehr autonom, sondern konstituiert eher einen neuen kunstlerischen "Ethismus". Das besagt, dass die Teilnehmer auf die stattfindenden Buhnensituationen unmittelbar "antworten" im Sinne der ``Ver-Antwortlichkeit``. Jeder Respons vollzieht sich dabei allerdings auf der Ebene der Performanz. Hans-Thies Lehmann zurfolge nimmt das postdramatische Theater um des "Theaters der Prasenz" willen vom Sinn und Reprasentation Abschied. Wahrend angesichts solchen Verhaltens in den 60er Jahren von einem ikonischen Nihilismus gegen den Logozentrismus die Rede war, ist das heute in der Anfangszeit des 21. Jahrhunderts nicht vollig frei von der skeptischen Sicht dem Formalismus der "Dekonstruktion" gegenuber. Die Unstabiltat, die wir jeden Tag in der alltagsweltlichen Performance erleben, ruft namlich keine Sehnsucht mehr nach der De-zentrierung, Bewegung und De-konstruktion hervor. Daraus ergibt sich vielmehr die Ruckkehr des Dramentextes und dessen Protagonisten. Hier treten sich sowhol die Leistung wie auch die Grenze des postdramatischen Theaters in Erscheinung, und man sieht den guten Grund fur die Pladoyer fur das ``dramatische Theater``.