In dieser Arbeit geht es darum, die Modernita¨t bzw. die literarische Moderne in den Spa¨tgedichten Ho¨lderlins von 1802 bis 1806 besonders hinsichtlich der Stilmerkmale zu untersuchen. Eine Reihe von Publikationen zu Ho¨lderins spa¨ter Lyrik haben sich bereits mit charakteristischen Stilzu¨gen von Modernita¨t wie harte Fu¨gung, Parataxis, Beladung des Wortes und Fragmentarismus bescha¨ftigt. Der vorliegende Essay stellt sich die Aufgabe, solche Zu¨ge von Modernita¨t im einzelnen konkret zu untersuchen. Er mo¨chte beantworten, inwieweit und in welcher Art diese Stilzu¨ge in den Spa¨tgedichten Ho¨lderlins realisiert sind und unter welchem Aspekt diese Stilzu¨ge modern genannt werden ko¨nnen. Diese Stizu¨ge muß man als modern bezeichnen, weil einerseits das gleiche Phano¨men in den Texten der anderen Dichter in seiner Zeit wie Goethe und Schiller gar nicht festzustellen ist und anderseits dieses Stilpha¨nomen aus einem tiefen mudernen Bewußtsein entstanden ist. Dies ist die Triebkraft fu¨r Ho¨lderlins Modernita¨t in den Spa¨tgedichten. Der Verzicht auf das Ich ist zwar schon in der fru¨heren Dichtung Ho¨lderins festzustellen und doch auf seine religio¨se Dichterauffassung vor 1802 zuru¨ckzufu¨hren. Diese Entthronung des Ich entwickelt sich aber im Lauf seines spa¨ten Schaffensphase daru¨ber hinaus zum Verlust des Ich in den Spa¨tgedichten, der als Grundlage der schon genannten Stilzu¨ge der Modernita¨t spielt. Der Dezentrierung bzw. dem Verlust des Ich und der damit verbundenen Entperso¨nlichung entspricht ein sta¨ndiger Wechsel der lyrischen Perspektive. Wenn die durch das Ich bestimmte Einheitlichkeit des Blickpunktes aufgegeben wird, kann die Perspektive beliebig wechseln. Durch den Wechsel der vom absoluten Subjekt befreiten Perspektive wird die Parataxis in den Gedichten konsequent hergestellt, so daß das Verha¨ltnis von Ich und Welt und auch das Verha¨ltnis des Dichters zur Sprache sich vera¨ndern. Parataxis als ein Stilmerkmal in den Spa¨tgedichten Ho¨lderlins, begleitet von Simultaneita¨t, hat auch viele Parallelen in den Texten der Dichter im 20. Jahrhundert. Die Parataxis bezeugt die Skepsis Ho¨lderlins gegenu¨ber der Mo¨glichkeit eines abschließenden Sinnzentrums. Und somit verla¨ßt Ho¨lderlin den Boden des klassischen Idealismus. Gleichzeitig lo¨st sich Ho¨lderlins koha¨rente poetische Welt allma¨hlich auf, und dieser Auflo¨sungsprozeß erfaßt auch die Fu¨gung der Gedichte. Die von der gewohnten Wortstellung abweichenden expressiven Inversionen und syntaktischen Verschra¨nkungen in den weitgespannten Satzbo¨gen lo¨sen Befreiung und Auratisierung des Wortes und Satzes aus. Diese harte Fu¨gung destruiert die Schemata des Syntax und fu¨gt die Wo¨rter unabha¨ngig von der gewo¨hnliche Folge. Damit gewinnt das Wort zusammen mit der Dunkelheit kompensatorisch eine maximale Suggestivita¨t. Die Freisetzung jener virtuellen Wortbedeutungen, die nicht durch den syntagmatischen Bezug aktualisiert Bind, erzeugt den intendierten Effekt suggestiver Vieldeutigkeit. Diese Dunkelheit und Vieldeutigkeit der Spa¨tgedichte Ho¨lderlins ist auch ein konstitutives Merkmal der modernen Lyrik bekannt. Parataxis und harte Fu¨gung kulminieren in der Fragmentierung, die einen Bezirk zu schaffen bezweckt, in dem die isolierten Wo¨rter und Sa¨tze ihre Urspru¨nglichkeit und Besta¨ndigkeit zuru¨ckgewonnen haben. Zertru¨mmerung des Satzes zu Fragmenten und Diskontinuita¨t in dieser Fragmentierung, die die modernen Stilmittel des franzo¨sischen Symbolismus sind, sind doch das Stilzeichen eines Sprechens an der Grenze zum Unmo¨glichen. Das zwischen Spru¨ngen der fragmentierten Sa¨tze verborgene Schweigen in den Spa¨tgedichten Ho¨lderlins ist Ausdruck des BewuBtseins der Moderne vom falschen Zauber seiner Sprache und von der No¨tigung zu schweigen, wo das Wort die Wahrheit nicht mehr zu fassen vermag. Skeptizismus gegenu¨ber Sprachvermo¨gen bzw. Vermo¨gen der Spra