In den Neuen Leiden wird das ho¨chst widerspru¨chliche, konfliktreiche Verha¨ltnis des Individuums Edgar Wibeau zur gegenwa¨rtigen Gesellschaft im Spiegel des Werthers reflektiert. Der klassische Text erweist sick nicht als Abbild, sondern als komplexe Metapher der dargestellten Wirklichkeit. Werther ist ein Gedicht von Tod. Man weiß, daß die Philosophie der Aufkla¨rung den Selbstmord zur Manifestation der Freiheit stilisiert hat. Dieses Thema durchzieht den ganzen Roman. Was Werther auf schmercliche Weise auszeichnet, ist jene tief in ihm angelegte Heilosigkeit, die den Konflikt des einzelnen mit seiner Gesellschaft to¨dlich ausgehen laaaßt. Die Rettungslosigkeit wird auch zum Leitmotiv, zum Todesmotiv des DDRWerther Edgar Wibeau: $quot;Die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war.$quot; Edgar ist ja kein Selbstmord begehender neuer Werther, sondern ein moderner Jugendlicher, der die alten Leiden Werthers unter vera¨nderten gesellschaftlichen Umsta¨nden als neue Leiden erfaaahrt und sie abweichend von Werther aus dem Jenseits zur Diskussion stellt: $quot;Dieser Tod des jungen W. scheint die Geburt einer eminenten neuen Begabung zu annoncieren, vielleicht sogar den lang erwarteten Anfang einer neuen Literatur.$quot; Problematik des mo¨glichen Verzichts auf ho¨chste Ausbildung wird nicht aus dem utopischen Lebensanspruch des Werther, sondern im Spiegel der realen Mo¨glichkeiten und Grenzen des Individuums in der sozialistischen Gesellschaft gestaltet.