In der Farce $quot;Die Chinesische Mauer$quot; von Max Frisch geht es um die Entfremdung des Intellektuellen. Die Ohnmacht des Intellektuellen wird dadurch symbolisiert, daB der Heutige, Dr, jur., die Rolle des Hofnarren ubernimmt. In diesem Sinne kann der Heutige als Bruder des Dichters Pedro in $quot;Santa Cruz, $quot; des Staatsanwalten in $quot;Graf Oderland, $quot; des Don Juan in $quot;Don Juan oder die Liebe zur Geometrie, $quot; des Dr, phil, in $quot;Biedermann and die Brandstifter$quot; sowie des Philipp Hotz in $quot;Die groBe Wut des Philipp Hotz$quot; betrachtet werden, Der Intellektuelle, verkorpert in dem Heutigen, erkennt, daB die heutigen Menschen in der Entfremdung leben, unsre Wohnorte ade sind, and wir keine Hoffnung haben, Deswegen tritt der Heutige den Figuren gegenuber, die unser Hirn bevglkern: Napoleon, Philipp von Spanien, Brutus, Pontius Pilatus and dem chinesischen Kaiser Hwang Ti, der die Mauer erbauen lieB - um ihnen klarzumachen, daB wir uns ihre Art, Geschichte zu machen, nicht mehr leisten kdnnen, and daB sie alle ihr altes Denken, das auf Macht, Despotie, Gewalt and Krieg ausgerichtet ist, verlassen sollen. Seine Anklage bleibt jedoch ohne Antwort, Der Heutige ist sich seiner Entfremdung bewuBt, Und zwar begreift der Intellektuelle, wie Adelheid Weise zusammengefaBt hat, seine Ohnmacht als Schuld, aber er revoltiert nicht dagegen, sondern nimmt sie hin als eine Existenzbedingung, Der chinesische Kaiser hat nach drauBen alle Feinde besiegt, bloB die Wahrheit im Innern noch nicht. Deswegen halt der chinesische Kaiser den Stummen fur den beruchtigen Min Ko: Stimme des Volkes, and lal3t ihn verhaften, Wahrend der Stumme gefoltert and zum Schreien gebracht wird, steht der Heutige daneben, zuckt die Achseln, zundet eine nachste Zigarette an and schweigt. Denn der Heutige ist, wie die anderen intellektuellen Kreaturen in den Dramen von Max Frisch, durchaus kein Tatmensch, Er kann sein Wissen nicht zur Verbesserung der Welt verwenden, Er versucht, den chinesischen Kaiser uber die Bedrohung unserer Welt and die Sinnlosiglceit seiner Gewaltausubung zu unterrichten. Seine Warnung wird nicht beachtet, and er wird bloB als ein soriderbarer Schwarmer angesehen, SchlieBlich ubernimmt der Heutige die Rolle des Min Ko, um die Schuld des Stummen vor dem Herrscher zu verteidigen. Seine Ohnmacht wird jedoch dadurch verstarkt, daB er nicht, wie zu erwarten, bestraft, sondern mit einer goldenen Kette des Kaisers and dem KuB von Cleopatra belohnt wird, Sein Wissen, da es selbst nicht Geschichte wird, bleibt ohnmachtig. Der Volksaufstand dann laBt den Kaiser von der Macht zurucktreten and erhebt den Prinz Wu Tsiang erneut auf den Thron. Der Heutige sieht jedoch in dem Prinzen, der sich jetzt als Mann des Volkes aufspielt, einen neuen Demagogen, Er will den t~dlichen Kreislauf der Diktatur durchbrechen, indem er bloBstellt, daB die Stimme des Volkes, die der Prinz miBbraucht, ein Stummer ist. Zum Entsetzen des Heutigen verleugnet die Mutter des Stummen die Wahrheit. Denn, sie ist stolz darauf, daB ihr stammer Sohn inzwischen ein beruhmter Mann geworden ist. Sein letzter Versuch wird dadurch zunichte gemacht. Der Heutige macht sich zum Gespott, solange er strebt, Frisch laBt jedoch den SchluB offen. Denn er halt es fur seine Aufgabe; dem Publikum eine Frage dermaBen nahe zu bringen, daB die Zuschauer von dieser Stunde an ohne eine eigene Antwort nicht leben kbnnen, Trotz all dieser Offenheit der Dramenformen will der Autor durch die SchafFung des entfremdeten ohnmachtigen Kreatur des Heutigen zur Besinnung der Zuschauer beitragen.