Der vorliegende Aufsatz befasst sich mit der Analyse von Bertolt Brechts (1898-1956) Ballade Der Kinderkreuzzug 1939 (1941) und Erich Kästners (1899-1974) Versgeschichten Arthur mit dem langen Arm (1930). Die beiden Schriftsteller gehören zu der Generation, die den ersten und den zweiten Weltkrieg selbst erlebt und daher sehr zeitkritische Ansichten vertreten hat. Brechts und Kästners Werke werden als ‘geschichtserzählende Literatur‘ herangezogen, die mit der Zeitgeschichte der beiden Autoren eng verbunden ist.
Seit dem ersten Weltkrieg (1914-1917) sind etwa hundert Jahre vergangen, dessen politischen Folgen haben jedoch noch auf verschiedene Weise auf die gegenwärtige Welt ihre Nachwirkungen. Die beiden Autoren greifen Themen zur Verdeutlichung ihrer Ansichten oft die Situation von Kindern auf, sie schildern deren Notlage und Missbrauch im Krieg und zeigen sie als Opfer der Ideologie der Erwachsenen. Das Thema Kindheit und Krieg mitsamt seinen Nachwirkungen und Implikationen fur die deutsche Nachkriegsgesellschaft wurde soll veranschulichen, wie sehr die Zukunft der deutschen Gesellschaft von den Lebensbedingungen der Kinder abhängt. Die deutsche Kinder- und Jugendliteratur um diese Zeit fungiert als "ein Medium des kulturellen Gedächtnisses", da das Kind eine wichtige Rolle in den Staatsgebilden seit 1900 einnimmt. Brechts Ballade Kinderkreuzzug 1939 geht auf eine mittelalterliche Geschichte aus dem Jahr 1212 zuruck, aber setzt sich aber wie so oft bei Brecht direkt mit einem zeitgenössischen politischen Ereignis - dem deutschen Angriff der Nazis auf Polen - auseinander. Die Leser werden so in die Gegenwart Brechts versetzt. Brecht vermittelt seinen zeitgenössischen Lesern das reale Elend des Krieges und weist darauf hin, dass die deutsche Gesellschaft durch den Krieg zukunfts- und richtungslos wurde.
Im Gegensatz zu Brecht, der das historische Ereignis realistisch darstellt, nimmt Erich Kästner in seiner Versgeschichte Arthur mit dem langen Arm das Kind in der Großstadt nach dem ersten Weltkrieg unter die Lupe. In dem er dessen Alltagsleben in den Prozessen der deutschen Industrialisierung als eine aus Kindersicht ‘verkehrte Welt’ zweigt, vermischen sich auch hier Fiktionalität und reale Wirklichkeitsbezuge.
Die beiden Schriftsteller bearbeiten das Thema auf ganz unterschiedliche Weise, doch ist ihnen gemeinsam, dass sie als Zeuge ihrer Zeitgeschichte ihren zeitgenössischen Lesern ihre kritische Haltung gegenuber den gesellschaftlichen Problemen und den politischen Ereignissen vermitteln.